Neues Nichtraucherschutzgesetz weder einseh- noch umsetzbar:
Plädoyer für einen totalen Nichtraucherschutz, und gegen ein totales Rauchverbot

Das neue Gesetz in der Theorie: Argumente gegen Raucherräume unbefriedigend
Die Landesregierung hat einen Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Nichtraucherschutzgesetzes in den zuständigen Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales eingebracht. Wenn der Entwurf in der bestehenden Form durchkommt, wird NRW ab dem 01. Januar ein strengeres Nichtraucherschutzgesetz als Bayern haben. Die Verschärfung des Gesetzes besteht in der ersatzlosen Streichung von Ausnahmen vor allem im gastronomischen Bereich, im Klartext:

  • ausnahmsloses Verbot von Raucherräumen
  • ausnahmsloses Verbot von Raucherkneipen / Rauchervereinen
  • Rauchverbot auch für geschlossene Gesellschaften und in Vereinslokalen
  • keine Unterscheidung zwischen Zigaretten, Zigarren, E-Zigaretten, etc.

Im U-Club haben wir, wie viele andere Gastronomen auch, schon vor Inkrafttreten des alten Nichtraucherschutzgesetzes in einen Umbau investiert, um einen Raucherraum zu ermöglichen und unseren nichtrauchenden Gästen frische Luft zuzusichern. Dementsprechend muss sich im U-Club kein Nichtraucher im Raucherraum aufhalten (es gibt hier keine Show, nur Sitzgelegenheiten) oder den Raucherraum durchqueren (beispielsweise um zur Toilette zu kommen).

Wir haben uns daher gefragt: Warum? Was spricht ganz konkret gegen unseren Raucherraum, bzw. welcher Nichtraucher muss vor unserem Raucherraum geschützt werden (wie es ausschließlicher Inhalt eines Nichtraucherschutzgesetzes sein muss)? Und weiter: Wie sollen wir als Veranstalter solche gesetzliche Vorgaben umsetzen, wenn nach einer internen Erhebung über 65% unserer Gäste RaucherInnen sind und wir keine Möglichkeit haben, einen schalldichten Außenbereich einzurichten?

Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, haben wir uns mit Josef Neumann (SPD) getroffen. Herr Neumann ist Landtagsabgeordneter und sitzt im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der nach einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen am 26.09.2012 über das weitere Vorgehen in Sachen Nichtraucherschutz entscheiden soll. Wie wir befürchtet hatten, hat der verantwortliche Experte aber auch keine Antwort. Hier die Blüten unserer Unterhaltung.

„In Raucherräumen werden die dort arbeitenden Nichtraucher dem Passivrauch ausgesetzt.“
→ Das wäre Sache des Arbeitsschutzes und nicht des Nichtraucherschutzes. Außerdem: Wo bleibt der politische Aufschrei danach, gesundheitsgefährdende Betriebe wie Zementwerke und Lackierereien zu schließen? Von politisch durchgesetztem konsequentem Gesundheitsschutz kann keine Rede sein! Danach gefragt, antwortet Hr. Neumann, NRW sei Industriestandort, und das solle auch so bleiben. Es müssten Kompromisse gemacht werden. Da fragt man sich aber schon: Wie ist es mit NRW als Nightlife-Standort? Wo bleiben die den Feierabend betreffenden Kompromisse (z.B. in Form eines Mundschutzes)?

„Das Nichtraucherschutzgesetz muss „rechtssicher und konsequent“ werden“
→ Rechtssicher heißt: Keiner kann klagen. Das ist ein juristisches Problem, es sollte doch möglich
sein, ein Gesetz zu schaffen, das sowohl juristischen Kriterien standhält, als auch umsetzbar ist.
→ Konsequent heißt: Rauchverbote ohne Ausnahmen. Wenn man sich den Gesetzesentwurf jedoch genauer anschaut, gibt es gar nicht wenige Ausnahmen, wo Raucherräume weiterhin erlaubt sein werden: In öffentlichen Einrichtungen wie Ämtern, Behörden und Gerichten, in Einrichtungen der Erwachsenenbildung inkl. Unis und Fachhochschulen, auf Flughäfen. Von ausnahmslosem Rauchverbot kann also nicht die Rede sein. Das Gesetz ist ausschließlich im Gastronomiebereich ausnahmslos.

Das neue Gesetz in der Praxis: Umsetzung hochproblematisch
Zur Umsetzung des Gesetzes hat sich der politische Vertreter Hr. Neumann offensichtlich noch gar keine Gedanken gemacht, oder sie ist ihm schlicht egal. Die Unterhaltung ging in etwa folgendermaßen vonstatten: Wie stellen Sie sich das vor? - Da kommt dann einer, der sagt: Dieser Raucherraum hier ist nicht mehr existent. - Was macht dann der Raucher? - Der raucht dann trotzdem. - Und wo? - Draußen. - Das gibt sofort Probleme mit den Anwohnern und der Polizei. Nochmal, wie machen wir das in der praktischen Umsetzung? - Die Umsetzung ist ganz einfach: Wir verbieten das. (Ende der Unterhaltung.) Trotz dieser – Achtung, Ironie - volksnahen Hilfestellung: Machen wir uns nichts vor, die Umsetzung ist ein Problem. Allerdings anscheinend nicht das der politischen Vertreter.
Faktisch haben rauchende Gäste zwei Möglichkeiten. Erstens: Zuhausebleiben und da rauchen. Das würde zur Schließung vieler getränkeorientierter Nachtgastronomien führen. Zweite Möglichkeit: Zum Rauchen vor die Tür gehen. Die wenig überraschende Konsequenz: In allen Ländern, in denen das Rauchen in geschlossenen Räumen verboten wurde, steigen die Lärm-Beschwerden sprunghaft an, da das Verbot von Raucherräumen zu Rauchergruppen auf der Straße führt. Und das ist...

...für AnwohnerInnen problematisch. Menschengruppen verursachen Lärm und Schmutz, grundsätzlich und besonders, wenn sie Alkohol getrunken haben. Lärm ist laut einer 2011 veröffentlichten Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO das zweitgrößte Gesundheitsrisiko.
...für RaucherInnen problematisch. Der Wunsch nach unbeschwertem, manchmal auch etwas lauterem Zusammensein ist legitim, und die wenigsten Leute finden es schön, anderen Menschen auf die Nerven gehen (abgesehen davon, dass es nett ist, beieinanderzusitzen, statt beieinanderzustehen).
...für GastronomInnen problematisch. Nach der geltenden Gesetzgebung sind nicht die Rauchergruppen für den ggf. erzeugten Lärm und Müll verantwortlich und dementsprechend zur Kasse zu bitten, sondern die Gastronomen. (Ein Umstand, der weder fair noch einsichtig ist: Wird auf einer Party beispielsweise ein Portemonnaie geklaut, kann man schwerlich den Gastronomen für das Fehlverhalten seines Gastes zur Verantwortung ziehen.)

Unser Revier, unsere Nachtruhe, unsere Verantwortung.
Ums noch mal ganz klar zu machen: Wir sind für einen konsequenten und flächendeckenden Nichtraucherschutz, wir stimmen zu, dass Nichtrauchern jederzeit frische Luft zusteht und haben das auch schon vor Einführung des bestehenden Nichtraucherschutzgesetzes in die Tat umgesetzt, indem wir einen Raucherraum eingerichtet haben. Das heißt: Wir haben einen funktionierenden Nichtraucherschutz! Dennoch: Das ursprüngliche Nichtraucherschutzgesetz von 2008 braucht eine Überarbeitung, weil die Umsetzung sich als problematisch herausgestellt hat. Es wäre daher sehr zu begrüßen, wenn die Landesregierung sich als lernfähig erweisen würde, indem sie ein Gesetz schafft, das seinem Namen gerecht wird, und zwar indem es Nichtraucher vor Rauch schützt – und mehr nicht.
Wir sehen in der vom politischen Vertreter des zuständigen Ausschusses vorgetragenen Argumentation jedoch weder stichhaltige Argumente gegen einen Raucherraum, in dem erwachsene BürgerInnen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte einer ungesunden, aber legalen Tätigkeit nachgehen wollen, noch sehen wir, dass sich irgendjemand Gedanken darüber machen würde, was das ganz konkret in der Umsetzung für uns alle bedeutet: Nämlich ein immenses, schwelendes Konfliktpotential mit

  • potentieller Gefährdung von Anwohnern aufgrund von Lärmbelästigung
  • potentieller Gefährdung eines ganzen Wirtschaftszweiges aufgrund ausbleibender Gäste und Lärmbeschwerden
  • potentieller Gefährdung des gelungenen Abends für RaucherInnen aufgrund fehlender angenehmer Rauchgelegenheiten oder sogar Auseinandersetzungen mit Anwohnern und Wirten

Letzteres ist besonders angesichts der Tatsache, dass in Alltagseinrichtungen (also dort, wo gearbeitet oder gelernt wird) Raucherräume weiterhin zugelassen sind und dem Raucher/der Raucherin seine/ihre Rauchgelegenheit auch weiterhin zur Verfügung gestellt werden muss (!), dort, wo gefeiert und der Alltag hinter sich gelassen wird, das „Genussmittel“ Tabak aber de facto nicht konsumiert werden darf: Ein schönes Sinnbild für unsere Gesellschaft.

Teilen Sie Ihre Bedenken!

  • Hier finden Sie einen Briefentwurf an die Landtagsabgeordneten des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Sie können den Brief übernehmen und nur Ihren Namen darunter setzen, oder Sie können persönliche Änderungen oder Ergänzungen vornehmen. Wenn Sie Änderungen vornehmen, bleiben Sie bitte sachlich.

  • Der Ausschuss tagt am 26.09.2012, es wird es eine Anhörung von Sachverständigen geben. Hiernach soll entschieden werden, ob der Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form durchkommt oder nicht. Die Anhörung ist öffentlich und findet im Landtag Düsseldorf statt. Sie sind hiermit recht herzlich eingeladen, sich rege zu beteiligen.